Masterstudiengang "Drug Regulatory Affairs"

Master-Thesis

Der besondere Bedarf an nicht zugelassenen Arzneimitteln - Nationale Regelungen in Österreich und Deutschland mit Fokus auf den deutschen Einzelimport gem. § 73 Abs. 3 AMG ***

Lucy Weinreich (Abschlußjahr: 2021)

Zusammenfassung
Sprache: Deutsch
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unterliegen Arzneimittel, die innerhalb der EU in den Verkehr gebracht werden, der Zulassungspflicht, die auf europäischer Ebene im Art. 6 der RL 2001/83/EG geregelt ist. Es ist den einzelnen Mitgliedstaaten allerdings auf Grund-lage des Art. 5 der RL 2001/83/EG gestattet, Arzneimittel in besonderen Bedarfsfällen von der grundsätzlichen Zulassungspflicht auszunehmen. In dieser Masterarbeit wurden mit-hilfe einer Rechtsvergleichung die deutschen und österreichischen Ausnahmebestimmun-gen für das Inverkehrbringen nicht zugelassener Arzneimittel in besonderen Bedarfsfällen analysiert, um herauszufinden, welche nationalen Bestimmungen am besten geeignet sind, um angemessen und flexibel auf besondere Bedarfsfälle in Form einer Therapie mit nicht zugelassenen Arzneimitteln reagieren zu können und dabei den öffentlichen Ge-sundheitsschutz zu wahren.
Die deutsche Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 3 AMG sieht in ihrer kompakten Form ge-eignete Schutzmechanismen wie die exklusive Apothekenabgabe, die Mengenbeschrän-kung und die Voraussetzungen zur Verkehrsfähigkeit im Herkunftsstaat und zur Versor-gungslücke vor, die einer systematischen Umgehung der Zulassungspflicht entgegenwir-ken. Gleichzeitig ermöglichen die Krankenhausbevorratung und der Verzicht auf eine be-hördliche Einbindung beim Einzelimport ein flexibles Handeln. Jedoch könnte durch eine stärkere gesetzliche Einbindung des Arztes in der Beurteilung des besonderen Bedarfsfalls die Arzneimittelsicherheit erhöht und auch die praktische Durchführung des Einzelimpor-tes vereinfacht werden. Auch individuelle ärztliche Heilversuche, die eine schnelle und bedingungslose Versorgung eines schwerkranken Patienten in einer akuten Notlage er-möglichen sollen, finden in der deutschen Gesetzgebung, abgesehen vom rechtfertigen-den Notstand nach § 34 StGB mit den damit verbundenen juristischen Unannehmlichkei-ten, keine rechtliche Grundlage.
In Österreich finden sich Regelungen zum Inverkehrbringen von in Österreich nicht zuge-lassenen Arzneimitteln sowohl im AMG AT als auch im AWEG 2010 in umfänglicher Form. Ein ärztliches Gutachten, das den Bedarf und auch die Versorgungslücke des Arzneimittels bestätigt, ist beim Import eines in Österreich nicht zugelassenen Arzneimittels für die pa-tientenbezogene Therapie eine Grundvoraussetzung. Eine Mengenbeschränkung über den Import sieht das AWEG 2010 nicht vor, allerdings wird die österreichische Behörde standardmäßig über das Verbringen nicht zugelassener Arzneimittel in Form einer Mel-dung informiert. Bei der Einfuhr aus Drittstaaten ist zuvor eine behördliche Einfuhrbe-scheinigung einzuholen, sodass in beiden Fällen angemessene Schutzmechanismen in der österreichischen Rechtsordnung greifen. Zudem findet sich im AMG AT eine Regelung, die individuelle Heilversuche gesetzlich legitimiert.
Darüber hinaus wurde in dieser Arbeit dargestellt, dass weder die deutschen noch die österreichischen Ausnahmebestimmungen von der Zulassungspflicht den Import von zentral zugelassenen Arzneimitteln berücksichtigen. Diese sind zwar EU-weit zugelassen, jedoch müssen sie auch in der Amtssprache des jeweiligen Mitgliedstaates in den Verkehr gebracht werden, was bei Importen i. d. R. nicht der Fall ist. Digitale Infrastrukturen wie z. B. ein QR-Code auf der äußeren Umhüllung, der einen Link zu den Produktinformations-texten in der erforderlichen Amtssprache zur Verfügung stellt, könnten zukünftig Abhilfe schaffen und wenigstens zentral zugelassene Arzneimittel EU-weit ohne Ausnahmebe-stimmungen verkehrsfähig machen.
Seiten/Pages: 99
Annexes: 01, Seiten: 07

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