Masterstudiengang "Drug Regulatory Affairs"
Master-Thesis
Verordnung (EU) 2019/6 für Tierarzneimittel - Allgemeine Zielsetzung der Verordnung mit Fokus auf die Antibiotikaresistenzproblematik und die Verschreibungskaskade ***
Dr. Birthe Inken Sumpf (Abschlußjahr: 2022)
Zusammenfassung
Sprache: Deutsch
Seit dem 28.01.2022 ist die neue europäische Tierarzneimittel-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/6) in Anwendung getreten. Sie löst die Richtlinie 2001/82/EG ab und ist unmittelbar von allen Mitgliedstaaten umzusetzen. Eine Umsetzung in nationales Recht ist damit nicht notwendig. Lediglich in Teilbereichen, die von der Verordnung nicht erfasst werden, sind nationale Regelungen möglich. So sind auf europäischer, als auch auf nationaler Ebene noch delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zu erlassen und anzupassen. Diese Masterarbeit zielt darauf ab die mit der neuen Gesetzgebung erfolgten Änderungen darzulegen. Der Fokus liegt dabei auf der Bewertung und kritischen Diskussion der neuen Vorgaben zur Anwendung von Antibiotika in der Tiermedizin und den damit verbundenen Folgen. Des Weiteren werden die mit der neuen Verordnung eingeführten Änderungen im Hinblick auf die Umwidmungskaskade, im Fall eines Therapienotstandes, kritisch hinterfragt.
Die fünf großen Ziele der Tierarzneimittel-Verordnung sind i) die Erhöhung der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln (TAM), ii) die Verringerung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen und Behörden, iii) die Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes für Tierarzneimittel, iv) die Förderung von Forschung und Innovation von TAM sowie v) die Einführung einer gemeinsamen Eindämmungsstrategie für Antibiotikaresistenzen zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt.
Antimikrobielle Resistenzen werden als weltweit wachsendes Gesundheitsproblem für Mensch und Tier angesehen und erfordern ein koordiniertes europäisches Vorgehen, um die aufsteigende Gefahr von Antibiotikaresistenzen einzudämmen.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden von der EU auf Grundlage der Verordnung (EU) 2019/6 folgende Maßnahmen ergriffen: Die routinemäßige prophylaktische sowie die metaphylaktische Anwendung von Antibiotika soll zukünftig vermieden werden. Es sollen vergleichbare Daten zum Verkaufsvolumen und zur Anwendung von antimikrobiell wirksamen Tierarzneimitteln erfasst werden. Darüber hinaus werden in ergänzenden Rechtsakten, unter anderem Verzeichnisse mit antimikrobiell wirksamen Stoffen, die der Humanmedizin vorbehalten sind, beziehungsweise die nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen umgewidmet werden dürfen, erlassen. Diese noch ausstehenden Listen werden und wurden kontrovers diskutiert, so könnte ein Verbot von Reserveantibiotika in der Pharmakotherapie von Haus- und Heimtieren zu Engpässen führen. Auf der anderen Seite könnte der weitere massenhafte Einsatz von Reserveantibiotika in der Nutztier- /Massentierhaltung die Antibiotikaresistenzproblematik weiter begünstigen.
Um den Verbraucherschutz und die Tiergesundheit zu gewährleisten, sind Tierarzneimittel auch nach der neuen Verordnung in Übereinstimmung mit den Zulassungsbedingungen einzusetzen. Um die Verfügbarkeit von TAM zu erhöhen sieht der Gesetzgeber allerdings mit der neuen Tierarzneimittel-Verordnung eine Flexibilisierung der bisherigen Umwidmungskaskade vor. So wird, im Falle eines Therapienotstands, das Verbringen und Anwenden von Tierarzneimitteln aus EU-Mitgliedstaaten und aus Drittländern ermöglicht bzw. erleichtert. Es gibt zukünftig drei Umwidmungskaskaden: für nicht Lebensmittel liefernde Tiere, für Lebensmittel liefernde Landtiere und für Lebensmittel liefernde Wassertiere. Für die Wartezeit bei lebensmittelliefernden Tieren sind neue rechtliche Vorgaben gemäß Artikel 115 der Verordnung (EU) Nr. 2019/6 zu beachten.
Ob diese Flexibilisierung der Kaskade, neben der Erhöhung der Verfügbarkeit von TAM, jedoch auch zu mehr Innovation und Forschung in der Tierarzneimittelentwicklung führt, bleibt allerdings fraglich, da die erhöhte Verfügbarkeit von TAM wohl keinen Anreiz mehr für Pharmaunternehmen bietet neue TAM zu entwickeln. Zudem bleibt abzuwarten, welche Wirkstoffe die noch zu erstellenden Listen enthalten, die zukünftig dem Menschen vorbehalten sein sollen oder/und nur eingeschränkt umgewidmet werden dürfen.
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